Vom Original zum Modell.

 

Bau eines Modells des Stückgutfrachters MS „ BLEICHEN“ im Maßstab 1: 100

Historie:

Die MS „BLEICHEN“ wurde 1958 auf der Nobiskrug- Werft in Rendsburg für die Reederei H.M.Gehrckens (H.M.G.) gebaut. Für die Reederei Gehrckens fuhren alle Schiffe unter alt- hamburgischen Namen.

Das Einsatzgebiet der MS „BLEICHEN“ war die Ostsee. Dem Transport von Stückgut nach Schweden und Finnland folgte der Transport von Zeitungspapier in Rollen für den Springer- Konzern und Holz als Deckslast nach Hamburg.

Der extra stark gebaute Rumpf machte im Winter auch Eisfahrten möglich.

1970 wurde das Schiff an einen italienischen Reeder verkauft und in „ CANALGRANDE“ umbenannt. 1979 erwarb ein türkischer Reeder das Schiff.

28 Jahre blieb das Schiff in der gleichen Reederei, zuletzt unter dem Namen „OLD LADY“.

Etwa 2005 drohte dann die letzte Fahrt in die Abwrackwerft.

Zu der Zeit suchte die Stiftung Hamburg Maritim nach einem Museumsschiff für die 50 er Kaischuppen. Durch Spenden konnte der Kauf realisiert werden.

Nach einer Werftüberholung in der Türkei wurde das Schiff in einer 17 Tägigen, teils sehr stürmischen Fahrt, von seiner türkischen Besatzung nach Hamburg überführt.

Bis über die Toppen geflaggt lief die „OLD LADY“, bei bestem Hamburger Schietwetter, im Februar 2007 in Hamburg ein.

An Ihrem Liegeplatz im Hansahafen, Bremer Kai am Schuppen 50, wurde die „OLD LADY“ am 27. April 2007 in einer feierlichen Zeremonie auf Ihren Mädchennamen „BLEICHEN“ zurückgetauft.

Mit den Restaurierungsaufgaben sind der inzwischen gegründete Verein „Freunde des Stückgutfrachters MS BLEICHEN e.V.“, Jugend in Arbeit und befreundete Firmen betraut.

Das Schiff ist schon jetzt an seinem Liegeplatz zu besichtigen.

 

Der Bau des Modells gestaltete sich in der Planungsphase recht schwierig. Es stand kein brauchbarer Plan zur Verfühgung. Auf Nachfrage bei Hamburg Maritim erhielt ich einen Generalplan, der auf ein DIN A 4 Blatt verkleinert war, Maßstäblich nicht zuzuordnen.

Außerdem war kein Spantenriss vorhanden. Jeder, der irgendwie, mit der „BLEICHEN“ zu tun hatte, wurde von mir angesprochen und nach Plänen und Unterlagen befragt.

Mein Nerven trug dann irgendwann Früchte. Im Sommer 2008 bekam ich dann eine Mappe von Hamburg- Maritim. Ehrenamtliche Mitarbeiter hatten Baupläne im Maßstab 1:100 besorgt, dazu noch div. Fotos in DIN A4. Hier nochmal

herzlichen Dank dafür.

 

Der Rumpfbau erfolgte in Spanntbauweise. Der Kiel wurde aus 8 mm Sperrholz ausgesägt, für die Spannten nahm ich 3 mm Birkensperrholz. Auf einem Hellingbrett von 1000 x 200 mm wurden die Maße von Kiel und den Spannten übertragen.

Danach wurde der Kiel fixiert und befestigt. Bevor die Spannten auf den Kiel geleimt werden, ist hier noch etwas Arbeit erforderlich. Die Spannten bekommen an den beiden oberen äußeren Ecken einen Ausschnitt von 3 x 3 mm. Dieser Ausschnitt dient zur Aufnahme der Stringerleisten, in diesem Fall Biegeleisten 3 x 3 mm. Diese Leisten dienen zum einen der

Kontrolle für die Spanntmontage, zum anderen dienen sie später als seitliche Decksauflage. Am untern Ende wird in die Spannten ein 8 mm breiter Einschnitt (Kielbreite) gesägt, so dass die Spannten auf den Kiel aufgeschoben werden können. Das auf den Spannten die Mittellinie genau angezeichnet sein muss, versteht sich von selbst.

Für die Verleimungnehme ich Ponal- Holzleim , wasserfest. Wichtig ist immer wieder die Kontrolle mit dem Winkel.

Wenn alle Spannten gesetzt sind und keine Korrekturen erforderlich sind, kann mit dem beplanken begonnen werden.

Bei einem Modell dieser Größe ( 94 cm Länge) reicht eine Beplankung mit 1 mm starken Leisten, da später ja auch noch eine Polyester-Harz Beschichtung dazukommt.

 

Ist der Rumpf fertig beplankt, kann mit der Herstellung des Decks begonnen werden. Ich habe das Deck aus zwei Teilen gefertigt, die Stoßkante liegt unter dem Brückenaufbau. Zwei Teile bedingt durch die doppelte Wölbung ( Deckssprung und

Balkenbucht ). Spannungen im Deck lassen sich somit fast vermeiden. Bevor das Deck auf den Rumpf aufgeleimt wird, werden alle Durchbrüche für die Luken, Bootsdeck und Brückenaufbau ausgesägt, außerdem bekommt der Rumpf noch einen Innenanstrich mit Polyester-Harz, hierdurch wird schon eine sehr gute Festigkeit erreicht und der Rumpf ist auch im

Innenbereich gut vor Feuchtigkeit geschützt.

Nachdem der Motor, Welle und Ruderanlage eingebaut sind, kann das Deck aufgeleimt werden. Die Decksöffnungen werden mit einem Süll eingefasst, das einmal das Eindringen von Wasser verhindert, zum anderen als Führung dient.

Sind diese Arbeiten erledigt, wird das erhöhte Backdeck angefertigt. Hierbei werden wieder alle Durchbrüche

vor dem verleimen ausgesägt bzw. gebohrt.

Als nächstes wird das Schanzkleid gefertigt. Da ich ein Holzfreak bin, habe ich das Schanzkleid aus 0,4 mm Flugzeugsperr-holz gefertigt. Durch den schon angesprochenen Deckssprung – und Wölbung, ist es ratsam, das Schanzkleid vorher aus Kartonschablonen zu fertigen.

Besonders am Heck und auf dem Backdeck erweist sich die Herstellung von Schablonen als sehr hilfreich.

Nachdem alles angepasst und verleimt war, wurde der Rumpf komplett mit Polyester-Harz und Glasgewebe laminiert.

Der Rumpf bekam jetzt eine 14 tägige Ruhepause zum aushärten verpasst.

In dieser Zeit wurden fast alle Kleinteile wie Poller, Winschen, Blöcke, Seilrollen und Lademasten- und Bäume erstellt.

Nach dem aushärten des Rumpfes begann Modellbauers liebste Beschäftigung: Schleifen, Spachteln, Schleifen,…….

Die Herstellung der Aufbauten ( Brückenhaus , Bootsdeck) machten keine besonderen Schwierigkeiten, waren aber sehr

zeitintensiv. So musste das Peildeck und das Bootsdeck beplankt werden. Hierfür verwendete ich Birnbaumfunier in 0,6 mm Stärke, woraus Planken von 50 x 1,2 mm geschnitten wurden.

Die Lackierung wurde mit Revell-Farben Satinmatt durchgeführt. Die Bullaugen im Heckbereich wurden aus 4 mm MS-Rohr erstellt. Dafür wurden von dem Rohr ca. 5 mm lange Röhrchen abgesägt, entgratet und vorsichtig mit Polyester-Harz gefüllt. Als Unterlage für die aufrecht stehenden Röhrchen dient Alufolie, dadurch können die Röhrchen nach dem

Aushärten problemlos abgenommen werden.

Die Löcher für die Bullaugen werden nach dem laminieren gebohrt, die Bullaugen nach dem lackieren eingesetzt.

Für die Beschriftung ( Schiffname, Amings usw. ) stand mir unser Vereinskollege Klaus hilfreich zur Seite.

Nachdem das Original, Fotos und alle zur Verfühgung stehenden Unterlagen geprüft wurden und manche getroffene Entscheidung auch wieder verworfen wurde, kann sich das Ergebnis wirklich sehen lassen.

Ein erster Test in der privaten Schiffsversuchanstalt ( Badewanne) verlief sehr positiv.

Das Ruder guckte zwar ca. 3 mm aus dem Wasser, aber das konnte leicht mit Ballast ausgeglichen werden. Stapellauf war beim Anschippern 2010.

Alles bestens, man konnte zufrieden sein. Plötzlich auftauchende Fahrtunterbrechungen ließen einen Fehler in der

Empfangsanlage vermuten.

Wie sich später herausstellte, hatte eine neues Kabel zur Motorstromversorgung einen Bruch. Recht merkwürdig. Auch

hier macht der Verbraucher die Endkontrolle. Nun denn, der Schaden war schnell behoben und alles wieder im grünen

Bereich.

 

Fazit:

Da das Modell als Fahrmodell gebaut wurde, musste in einigen Bereichen Kompromisse eingegangen werden. So bei der Seilführung der Ladebäume, weil die Aufbauten abnehmbar gestaltet werden mussten. Es sollte aber ein Fahrmodell

werden, da Frachtschiffe aus dieser Epoche eher selten auf den Gewässern zu finden sind. Als

Antrieb dient ein Speed 400-Motor 7,2 V von Graupner. Als Stromquelle dient ein Bleiakku 6 V – 3 A. Die 6 V reichen allemal, um dem Modell genügend „ Speed“ zu geben.

Als Schraube fand eine 30 mm 3- Blatt Schraube ( Kunststoff) Verwendung.

Die Bauzeit von Sommer 2008 bis Februar 2010 wurde krankheitsbedingt 6 Monate unterbrochen. Ab April 2009 wurden dann fast täglich 4-6 Hobbystunden investiert, so dass insgesamt ca. 1200 Hobbystunden für die Erstellung des Modells benötigt wurden.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle ganz besonders bei den Mitarbeitern des Vereins „ Freunde des Stückgut-frachters BLEICHEN“, die mir bei Gesprächen an Bord viele Hinweise und Tipps gegeben haben.

Das Fahrverhalten des Modells kann man als sehr gut bezeichnen. Die Befürchtung, dass ein so schlankes Modell toplastig sein könnte, erfüllte sich nicht. Durch die Form des Hauptspanntes hat das Schiff schon eine gute Stabilität. Alle  gewichts-relevanten Teile wie Motor und Akku wurden im Modell so platziert, dass sie unter der KWL liegen.

Das beim Rückwärtsfahren das Heck ausschlägt, war bei einem Einschraubenschiff zu erwarten. Das Modell reagiert aber gut auf gegensteuern.

In diesem Sinne wünsche ich Euch immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.

 

Rainer Vesterling